VERFASSUNGSBESCHWERDE VOM BUNDESVERFASSUNGSGERICHT NICHT ANGENOMMEN

Der Eilantrag der Initiatoren von "Aufstehen für die Kunst" gemeinsam mit Anne-Sophie Mutter, Okka von der Damerau und Thomas Hengelbrock gegen das Bundesnotbremsen-Gesetz wurde durch Entscheidung vom 20.05.2021 nicht zur Beschlussfassung angenommen und daher auch nicht dem Plenum vorgelegt. Diese Entscheidung hat das Gericht mit einer Begründung versehen, die für Künstler und Kulturwirtschaft enttäuschend ist, weil sie Begründungs- und Nachweislast vertauscht: Nach Auffassung des Gerichts darf der Staat beim Kampf gegen die Pandemie nahezu frei schalten und walten. Nicht der Staat muss den Nachweis führen, dass seine Maßnahmen erforderlich sind, sondern die Kultur soll den Gegenbeweis antreten – was sie aber gar nicht kann.

Durch die wegen der anziehenden Impfkampagne erfreulicherweise rapid rückläufigen Inzidenzwerte und die daraus sich ergebenden Öffnungsschritte auch in der Kultur fielen alle Antragsteller*Innen aus einer konkreten Grundrechtsbetroffenheit heraus. Pauschale Erwägungen bezüglich fehlender Planungssicherheit bei eventuell doch wieder anziehenden Inzidenzwerten wurden nicht akzeptiert. So weit nachvollziehbar.

Nicht nachvollziehbar ist jedoch, daß die Bundesverfassungsrichter auch monierten, die Kläger*Innen hätten nicht ausreichend klargestellt, warum die Studien auch für Inzidenzwerte über 100 zutreffend seien oder hätten gar eigene Studien in Auftrag geben sollen. Die grundlegenden Erkenntnisse der Aerosol-, Belüftungs- bzw. Risikoabschätzungsstudien sind auch für Inzidenzwerte über 100 und für eventuelle Mutationen gültig. Die Münchner Pilotstudie macht sogar Vorschläge bezüglich der Saalbelegung bei höheren Werten.

Der Risikovergleich zwischen verschiedenen Standardsituationen bezieht selbstverständlich ebenfalls die Verweildauer mit ein, und Mutationen verschieben das Risiko nur parallel, da die anderen Lebensbereiche natürlich gleich stark betroffen sind.

Den KlägerInnen sollte auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass die Theater seit November geschlossen sind und daher Publikumsstudien bei Inzidenzwerten über 100 faktisch unmöglich sind. Es ist auch EinzelkünstlerInnen nicht zuzumuten bzw. für sie überhaupt nicht rechtlich machbar, eigene Studien in Auftrag zu geben. Darüber kann selbstverständlich nur der Betreiber, also Staat und Stadt, entscheiden, so wie bei den Berliner Pilotprojekten geschehen.

De facto haben die Bundesverfassungsrichter hier eine unüberwindbare Hürde aufgestellt. Es ist nicht an den Einzelkünstler*Innen zu beweisen, dass Kulturveranstaltungen zu 100% sicher sind, zudem wird dieser Anspruch keineswegs an Einzelhandel, körpernahe Dienstleistungen oder auch religiöse Veranstaltungen angelegt.

Gegenläufige Studien zu den von uns vorgelegten, existieren nicht, was auch die Beantwortung der Bayerischen Staatsregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen-Fraktion vom 19.04.2021 im Bayerischen Landtag, auf welchen wissenschaftlichen Grundlagen die Restriktionen im Kulturbereich beruhen, nochmals bestätigte.

ÖFFNUNG DER SÄLE IN BAYERN UND HILFSFONDS DER BUNDESREGIERUNG

Selbstverständlich begrüßen wir es umso mehr, dass die Bayerische Staatsregierung bis dato als einzige der Landesregierungen, die Säle mittlerweile auf Basis wissenschaftlicher Vorschläge (auch aus dem Münchner Pilotprojekt) geöffnet hat und durch Testungen auch wieder geringere Orchesterabstände ermöglicht wurden, um die Vielfalt des Repertories zu gewährleisten. Andere Landesregierungen, wie z.B. Berlin, halten noch an - durch keine wissenschaftliche Studie legitimierten - pauschalen Deckelungen von 100 Zuschauern fest.

Der erst kürzlich durch die Bundesregierung aufgelegte Hilfsfonds für die in dieser Pandemie am schwersten getroffene Kulturbranche ist ein echtes Hoffnungszeichen.

INITIATOREN

Wolfgang Ablinger-Sperrhacke
Hansjörg Albrecht
Kevin Conners
​Christian Gerhaher